4 Tipps, damit Sie beim Webinar-Start keine Teilnehmer verlieren

Auf diesen Termin hatte ich mich gefreut – aktivierende Methoden für den Online-Unterricht. Ich wollte Neues entdecken, mich mit Kollegen austauschen. Aber schon gleich nach dem Start hätte ich am liebsten die Veranstaltung verlassen.

Was war passiert?

In der Einladung hieß es, das virtuelle Klassenzimmer werde ca. 30 Minuten vorher geöffnet sein. Als ich mich 5 Minuten vor dem Start einloggte, hing ich allerdings im Warteraum fest. OK, dachte ich mir, vielleicht hat man das heute doch anders geregelt und öffnet erst zum geplanten Startzeitpunkt. Schließlich war der Termin wegen technischer Probleme mit Zoom um 4 Wochen auf heute verschoben worden.

Es dauerte mehr als 5 Minuten, bis ich in den Raum gelassen wurde. Mein erster Eindruck: Aha, es sind schon andere Teilnehmer da, alle haben ihre Webcam an und seltsame Namen wie z. B. „Birgit Existenzgründung“, „Martin SFMB“, „Sybille Didaktik“. Bin ich in der falschen Veranstaltung? Wer ist der verantwortliche Trainer?

Nach einem „Hallo“ wurde ich von „Sybille Didaktik“ informiert: „Wir haben uns schon vorher getroffen, um technische Einstellungen zu besprechen.“ Ich war irritiert: Hatte ich etwa irgendetwas in der Einladung überlesen? Die Gruppe hat sich schon getroffen? Hätte ich schon eher zu einem vorbereitenden Meeting im Raum sein müssen? Was hatte ich verpasst? Ich war doch schon vor der Startzeit im Warteraum!

Oder hatte man mich bewusst nicht zu dem vorgelagerten Treffen eingeladen?

Auf die Frage, ob ich denn meine Kamera aktivieren könne, reagierte ich zögerlich. Dann hieß es: „Wir haben uns auf den Vornamen und das Du geeignet, gehst Du da mit?“

Boom. Es fühlte sich an, als hätte ich einen Schlag in die Magengrube bekommen. In mir kam das Gefühl aus der Schulzeit hoch, als sich Lehrer mit der Klasse gegen mich verschworen hatten, um mich zu mobben. Wieder bin ich die Außenseiterin, die Später-Hinzugekommene. Wieder gehöre ich nicht zur Gruppe, die hat sich bereits formiert. Wieder gehöre ich nicht zum „Wir“.

„Kannst Du bitte noch Deinen Namen ändern? Sodass man erkennt, was Du machst, wie bei den anderen? Dazu musst Du …“

„Ich weiß, wie das geht“, antwortete ich kurzangebunden, rief die Teilnehmerliste auf und ersetzte meinen Nachnamen durch zwei Kürzel.

Am liebsten hätte ich mich an genau dieser Stelle aus der Veranstaltung verabschiedet. Die Trainerin in mir behielt die Oberhand – vielleicht auch meine Neugier. Wie geht die verantwortliche Seminarleiterin mit dieser Situation im weiteren Verlauf um?

Das aber ist eine Geschichte für einen anderen Blogbeitrag. Lassen Sie uns in diesem Beitrag untersuchen, welche 4 Punkte die Trainerin hätte beachten können, um alle Teilnehmer gleich zu Beginn in die Veranstaltung „mitzunehmen“ und niemanden auszugrenzen.

1. Schalten Sie den Wartebereich ab, wenn Sie den Raum offiziell schon vor dem Start öffnen.

Wenn Sie ankündigen, dass der Online-Raum bereits 20 oder 30 Minuten vor dem offiziellen Starttermin geöffnet ist, dann schalten Sie zu diesem Zeitpunkt den eingerichteten Warteraum oder Wartestatus für die Teilnehmer ab. Ist das technisch in der verwendeten Software nicht möglich, dann achten Sie mit Argusaugen darauf, wann neue Teilnehmer ankommen, um diese umgehend in den Raum zu holen. Oder sorgen Sie in dieser Phase für einen zusätzlichen Technik-Moderator, der diese Aufgabe übernimmt, damit Sie sich auf die nach und nach eintreffenden Teilnehmer konzentrieren können.

Damit vermeiden Sie eine erste Unsicherheit der Teilnehmer, die sich wundern, warum der Raum ohne Erläuterung doch nicht offen ist. Außerdem fühlt sich jeder Teilnehmer gleichermaßen willkommen geheißen, kann sich in Ruhe im Raum zurechtfinden und z. B. seine Technik prüfen.

2. Lassen Sie alle Teilnehmer gemeinsam über die Anrede im Webinar entscheiden.

Die Entscheidung über die verwendete Anrede ist ein probates Mittel, um als Trainer die Gruppendynamik anzustoßen. Daher sollten Sie dies erst nach dem offiziellen Start des Online-Trainings besprechen, wenn alle anwesenden Teilnehmer in die Entscheidung einbezogen werden können. Denn die Anrede ist eine Regel, die die Gruppe trifft, nicht der Trainer.

Wenn Sie diese Entscheidung bereits vor dem offiziellen Veranstaltungsstart gemeinsam mit bereits anwesenden Teilnehmern treffen, dann schließen Sie pünktlich eintreffende Teilnehmer aus. Und machen diese im schlimmsten Fall zu Außenseitern.

Tipp: Nutzen Sie für die Frage über die gewünschte Anrede eine anonyme Abfrage, bei der keiner der Teilnehmer sehen kann, wie die anderen abstimmen. So kann jeder für sich unbeeinflusst die Entscheidung treffen. Außerdem vermeiden Sie so den Gruppendruck, der entsteht, wenn jeder sehen kann, wie bereits abgegebene Stimmen verteilt sind.

Dann, und nur dann, ist die Entscheidung über die Anrede wirklich eine Gruppenentscheidung und wird sich positiv auf die Gruppendynamik auswirken.

3. Besprechen Sie Kommunikationsregeln gemeinsam mit allen Teilnehmern.

Als ich in den Raum gelassen wurde, hatten alle bereits anwesenden Teilnehmer schon ihren Namenseintrag geändert. Da solche Regeln später ankommenden Teilnehmern unbekannt sind, grenzt auch dieses Vorgehen – wie die bereits getroffene Regel zur Anrede – erst einmal aus.

Und nein, der normale Teilnehmer rechnet nach meiner Erfahrung nicht damit, dass solche Regeln bereits festgelegt werden, bevor die Veranstaltung offiziell beginnt.

Tipp: Eine solche Kommunikationsregel lässt sich hervorragend als Instrument einer Vorstellungsrunde einsetzen. Vorstellungsrunden beginnen auch bei einem Online-Training erst nach dem offiziellen Start der Veranstaltung, um die Entwicklung der Gruppendynamik zu unterstützen.

Evtl. verwendete, aber für andere unbekannte Abkürzungen und Akronyme in dem geänderten Namen hätten in o. a. Beispiel einen Austausch zum Kennenlernen positiv anstoßen können und wären kein Rätsel für einzelne geblieben.

Ausnahme: In Massenveranstaltungen, d. h. in Webinaren mit bis zu mehreren hundert Teilnehmern, kann man eine Umbenennung bereits in der Vorphase nutzen (z. B. Angabe „Name | Ort, Land“ und die Teilnehmer auffordern, sich im Chat vorzustellen. Denn bei solchen Veranstaltungen ist keine Vorstellungsrunde innerhalb der Veranstaltungszeit vorgesehen.

4. Als Trainer sind Sie nicht Teil der Gruppe, aber Sie beeinflussen deren Dynamik.

Wenn ich eine Regel aus der vor langer Zeit absolvierten Train-the-Trainer-Ausbildung mitgenommen habe, dann diese: Der Trainer ist nicht Teil der Gruppe. Die Gruppe kann für die von ihr getroffenen Regeln das Pronomen „wir“ verwenden, nicht aber Sie.

Wenn Sie dies trotzdem tun, dann nehmen Sie Einfluss auf die Dynamik der Gruppenentwicklung. „Ach was“, werden Sie vielleicht schon bei den vorherigen Punkten gedacht haben, „Gruppendynamik online? Das passiert doch nicht.“

Doch. Auch Online-Gruppen entwickeln eine Gruppendynamik, selbst wenn sich die Teilnehmer ausschließlich online treffen. Und wie in der Präsenz können Sie mit Ihrem Verhalten als Trainer Gruppendynamik und die hierarchische Ordnung von Gruppen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Letzteres sollten Sie auf jeden Fall vermeiden.

Was kann passieren, wenn Sie diese Punkte nicht beachten?

Wenn Sie als Trainer wie in diesem Beispiel negativen Einfluss auf die Gruppendynamik und die Positionierung einzelner Teilnehmer in der Gruppenhierarchie nehmen, dann reagiert jeder Teilnehmer anders.

  • Der Teilnehmer verlässt die Gruppe nach wenigen Minuten, entweder, ohne sich zu verabschieden oder unter einem vorgeschobenen Grund.
  • Der Teilnehmer bleibt zwar im Raum, beteiligt sich nicht oder nur auf direkte Ansprache. Häufig wird – sofern technisch vorhanden – der Status „abwesend“ genutzt.
  • Der Teilnehmer kommuniziert seinen negativen Eindruck bereits während der Veranstaltung auf anderen Kanälen, z. B. in sozialen Netzwerken.
  • Der Teilnehmer provoziert Sie und versucht alles, Ihre Veranstaltung zu stören oder zum Abbruch zu bringen.
  • Der Teilnehmer bewertet Ihr Online-Training durchweg negativ. Dabei werden in anonymen Feedback-Abfragen wesentlich schlechtere Noten vergeben als bei einem verbalen Feedback in der Veranstaltung selbst.

Fazit: Verlagern Sie keine Elemente der Durchführung in die Vorphase Ihres Webinars.

Nutzen Sie die Vorphase zur lockeren Einstimmung, Klärung technischer Fragen und zum Smalltalk. Starten Sie mit Kommunikationsregeln und Vorstellungsrunden erst nach dem offiziellen Beginn. Achten Sie darauf, alle Teilnehmer von Anfang an gleichermaßen in Regelfindungen einzubinden.

 

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