Eigentlich wollte ich nur die Zeit zwischen zwei Terminen bei Starbucks überbrücken. Aber dann ereignete sich etwas, womit ich mit meiner langjährigen Erfahrung nicht gerechnet hatte.
Zwischen zwei älteren Damen am Fenster und meinem Sitzplatz an der Wand wurde schnell der mittlere Tisch frei. Kurz darauf legte ein junger Mann darauf einige Unterlagen ab und ging wieder zum Counter.
Ein paar Minuten später kam er mit einer jungen Dame zurück. Seine Frage „Haben Sie gut hergefunden?“ ließ mich aufhorchen. War das eine Verabredung mit einer Unbekannten? Oder etwa – ein Bewerbungsgespräch?
Kaum hatten beide an besagtem Tisch Platz genommen, startete tatsächlich ein Bewerbungsgespräch. Mitten in einer gut besetzten Starbucks-Filiale mit Zuhörern zur Linken und zur Rechten. Der Abstand zwischen den Tischen betrug gerade mal eine Armlänge.
Am Tisch nebenan beginnt gerade ein Bewerbungsgespräch – Starbucks als Interview-Location. Haben die kein Büro? #hr #recruiting
— Susanne Plaumann (@1StepTo) 14. März 2013
So wurde ich unfreiwillige Zeugin, welche Standardfragen Starbucks für Einstellungsgespräche in einem entsprechenden Handbuch zusammengestellt hat. Denn aus diesem Handbuch las der Interviewer immer wieder Fragen ab. Notizen machte er sich keine. Nicht zu überhören waren die Angaben zu den Entgelten und Sozialleistungen, die Starbucks Mitarbeitern ohne Barista-Ausbildung zahlt.
Jobinterview live am Tisch nebenan: Standardisierte Fragen an Bewerberin werden aus Handbuch abgelesen. #hr #recruiting
— Susanne Plaumann (@1StepTo) 14. März 2013
Die Bewerberin wirkte auf mich insgesamt etwas angespannt – wer wäre das in einer solchen Situation nicht? Nach dem Ende des Gespräches blieb sie noch kurz sitzen, so dass ich die Chance wahrnahm, sie anzusprechen. Laut ihrer Aussage war es ok, das Bewerbungsgespräch mitten in der Filiale zu führen, schließlich wolle sie ja auch hier arbeiten und nicht im Büro. Und sie habe sich mit der Preisgabe persönlicher Angaben sehr zurückgehalten.
Eine Mitarbeiterin der Filiale bestätigte mir auf Nachfrage, dass dort alle Bewerbungsgespräche so durchgeführt werden. Und dass sie letztens beim Besuch einer der großen Fast-Food-Ketten sogar Gruppeninterviews mitten im Verkaufsraum erlebt habe.
Ganz abgesehen davon, dass es durch die Geräuschkulisse zu Missverständnissen zwischen den Gesprächspartnern kommen kann, ist durch eine solche Umgebung keinerlei Privatsphäre gegeben. Jeder kann Daten und Informationen der Bewerber aufschnappen. Eine ungeeignetere Umgebung für ein Bewerbungsgespräch kann ich mir nicht vorstellen.
Der Vorfall ruft bei mir immer noch Kopfschütteln hervor.